ARD, Kontraste, 01.04. 2004

Teure Beraterverträge - wie sich die Bahn AG bei hilfreichen Politikern bedankt
 
Wie soll man es nennen? Vorteilnahme? Gegengeschäft? Korruption? Wie soll man es nennen, wenn Politiker für ihre Landesregierung ein Geschäft mit der Bahn AG einfädeln und nach Abschluss der Verträge die Seiten wechseln und fortan für die Bahn tätig sind? Bei hilfreichen Politikern bedankt sich der ehemalige Staatsbetrieb ganz offensichtlich mit gut dotierten Beraterverträgen. Ursel Sieber und Matthias Zuber zeigen wie.
Ab heute zahlen die Fahrgäste im Fernverkehr der Deutschen Bahn saftige Preiserhöhungen! Nicht, dass die Züge pünktlicher oder der Service besser würden. Die Bahn fährt auf weiten Strecken ohne Konkurrenz.

Der Konzernchef hilft mit, dass es auch so bleibt. Der Verdacht: die Bahn "kauft" Politiker oder Beamte als Berater! Die Sache hat System. Kontraste hat einen neuen Fall aufgedeckt: Ursel Sieber über einen ganz besonderen Service für die Deutsche Bahn AG!

Eine Bahnreise quer durch Deutschland. Erste Station Brandenburg. Die Torte ist für den Verkehrsminister. Hartmut Meyer wird 60. Eine wunderschöne Feier. Der Minister bedankt sich mit einer Überraschung.

Hartmut Meyer:
"Dass ich mein Amt niederlege. Diese Entscheidung ist mir schwer gefallen."

Erschütterung bei allen Beteiligten. Meyer gibt eine anrührende Erklärung.

Hartmut Meyer:
"Ich habe ja auch Tränen in den Augen, ich habe diesen Beruf, diesen Job geliebt, es war eben eine schöne Zeit, aber man muss auch loslassen können."

Doch warum durchsucht die Kripo ein paar Monate später das Haus des Ministers? Waren Meyers Tränen vielleicht Freudentränen? Noch im Amt hat der Minister offenbar den Seitenwechsel vorbereitet: Er wurde Berater der Bahn. Meyer steht heute unter dem Verdacht der Bestechlichkeit. Schwere Vorwürfe.

Frank Winter, Staatsanwaltschaft Neuruppin:
"Uns liegt ein Schriftstück vor, welches relativ konkrete Gespräche über den möglichen Abschluss eines Beratervertrages zwischen Herrn Meyer und der Bahn für den Zeitraum Juli 2003 darstellt, also da gab es definitv solche Gespräche."
KONTRASTE:
"Da war Herr Meyer definitv noch im Amt."
Frank Winter, Staatsanwaltschaft Neuruppin:
"Und da war Herr Meyer definitv noch im Amt, denn der Rücktritt erfolgte knapp zwei Monate später."

Als er noch SPD-Minister war, hat er mit der Deutschen Bahn einen Nahverkehrsvertrag unterzeichnet - ganz nach dem Geschmack von Konzernchef Mehdorn. Ein Jahr später ist Hartmut Meyer Bahn-Berater.

Und die Bahn? Sie bekam die lukrativsten Strecken mit den meisten Fahrgästen - und das ganz ohne Ausschreibung: Die Regionalexpresszüge, die erst durch Brandenburg und dann durch die Berliner Innenstadt fahren. Hier fährt bis 2012 die Bahn exclusiv. Obendrauf kommt noch mal ein hoher Zuschuß aus der Staatskasse: 8 Euro 67 für jeden Zugkilometer. Bei einer Ausschreibung der Strecken hätte das Land etwa ein Drittel sparen können. Hat es aber nicht. Dank Meyer. Die Berliner Beratungsgesellschaft PSPC hat den Brandenburger Vertrag begutachtet.

Michael Holzhey, Beratungsgesellschaft PSPC:
"Er hat einen miserablen Vertrag ausgehandelt, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist katastrophal, er hat Steuermittel in bestimmt dreistelliger Millionenhöhe einfach vergeudet, er hat der Bahn einen Riesengefallen getan, indem er die besten Strecken durch Berlin noch bis 2012 vor Wettbewerb schützt."

Sogar Berlins Finanzsenator Sarrazin findet den Vertrag schlecht. Weil viele Bahnstrecken durch Berlin führen, müsste Berlin mitunterzeichnen - doch Sarrazin weigert sich.

Ortswechsel nach Magdeburg. Hier hat der Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt auch einen lukrativen Nahverkehrsvertrag mit der Bahn geschlossen. Genau wie in Brandenburg gehen die besten Strecken an die Bahn - bis 2015. Ohne Ausschreibung.

Jürgen Heyer hieß der damalige SPD-Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt. Er hat den Vertrag mit Konzern-Chef Mehdorn unterzeichnet - im Febraur 2002. Übrigens: Bevor Jürgen Heyer Minister in Sachsen-Anhalt wurde, war er Abteilungsleiter im Verkehrsministerium Brandenburg - sein Chef hieß damals Hartmut Meyer. Man kennt sich eben. April 2002: Die SPD verliert die Wahl in Sachsen-Anwalt und Jürgen Heyer sein Ministeramt. Doch für ihn wird gesorgt. Dezember 2002, 10 Monate nach Unterzeichnung des Verkehrsvertrags ist auch er Berater der Deutschen Bahn. Zufall? Zu einem Interview ist Jürgen Heyer jedenfalls nicht bereit. Zur Höhe seines Berater-Honorars schweigt er.

KONTRASTE:
"Hallo, guten Tag. Wir würden gerne Herrn Heyer sprechen."
"Augenblick."
KONTRASTE:
"Danke."

Das wars. Die Tür bleibt zu.

Wir recherchieren weiter, fahren nach Erfurt in Thüringen. Auch hier hat der damalige Verkehrsminister Franz Schuster, CDU, einen lukrativen Vertrag mit der Deutschen Bahn unterzeichnet. Wieder hat Konzern-Chef Mehdorn gut lachen. Wieder ein gutes Geschäft für ihn. Der Vertrag ist Verschlussache. Doch Kontraste liegt der Vertrag vor. Das besondere: In Thüringen ist bis 2012 gar keine Ausschreibung vorgesehen. Und die Bahn bekommt noch einen Zuschuss aus der Staatskasse von 9,70 Euro pro Zugkilometer - exorbitant hoch.

Michael Holzhey, Beratungsgesellschaft PSPC:
"Der Vertrag ist mit Sicherheit einer der schlechtesten in ganz Deutschland oder umgekehrt formuliert ein paradiesischer Vertrag für die Deutsche Bahn."

Wir fragen uns, ob auch in Thüringen die Verantwortlichen heute Bahn-Berater sind. Im zuständigen Ministerium kursieren allerhand Gerüchte. Wir machen uns auf die Suche - und werden fündig. Doch diesmal wurde nicht der Minister selbst Berater der Bahn - sondern sein Abteilungsleiter, der Macher im Hintergrund: Hans Dieter Wolkwitz. Er hat den Vertrag für Thüringen ausgehandelt. Unterzeichnet wurde der Bahnvertrag im März 2002. 11 Monate später geht Wolkwitz in Rente. Und was macht er wohl? Er ist Bahn-Berater.

Hans Dieter Wolkwitz, Bahn-Berater:
"Also was Ihre Frage anbelangt, wo ich denn, zu welchen Themen ich denn beispielsweise beratend tätig werde, kann ich nur sagen, beispielsweise das Allgemeine Eisenbahngesetz wird novelliert, da geht´s unter anderem darum, mehr Konkurrenz auf der Schiene zu schaffen. Da ist die Bahn natürlich daran interessiert, wie sich die Länder dazu stellen. Oder die Frage: Börsenfähigkeit des Unternehmens."

Und das ist der Deutschen Bahn ein Beratervertrag wert? Immerhin informiert sich der Beamte im Ruhestand jeden Tag aus der FAZ. Über die Höhe seines Beraterhonorars schweigt auch er.

KONTRASTE:
"Und dies ist auch kein Danke für die Arbeit in ihrem Ministerium?"
Hans-Dieter Wolkwitz, Bahn-Berater:
"Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wie gesagt noch mal, ich habe den Verkehrsvertrag nicht geschlossen, sondern das hat die politische Ebene getan. Ich war insofern nur damit befasst, als ich da die vorbereitenden Arbeiten mitgestaltet habe."

Die Deutsche Bahn lehnt ein Interview zu ihren Beraterverträgen ab. Vergangenen Montag im Deutschen Bundestag: Klaus Daubertshäuser vom Bahnvorstand kommt zu einer Anhörung:

KONTRASTE:
"Herr Daubertshäuser! Herr Daubertshäuser! Eine Frage…Herr Daubertshäuser!"

Bahnvorstand Daubertshäuser hat die umstrittenen Beraterverträge abgeschlossen. Nach der Anhörung äußern sich Bundestagsabgeordnete empört.

Horst Friedrich, FPD-Bundestagsabgeordneter:
"Es bleibt allerdings ein schaler Nachgeschmack. Und aus unserer Sicht eben, das habe ich deutlich gemacht, der Versuch, ganz einfach von vornherein überhaupt zu verhindern, dass Ausschreibungen überhaupt überlegt werden. Das macht man eben mit allen Mitteln."

Die Bahn hat angekündigt, dass sie noch mehr Berater dieser Art auf die Gehaltsliste nehmen will. Warum wohl?



Autoren und Regie: Ursel Sieber und Matthias Zuber polyeides medienkontor münchen / berlin