Arte, Tracks, 20.05.2004
Ghettokids
  Deutsche Problemkieze wie Kreuzberg werden zu Traumfabriken

Für Politik und Polizei ist es ein Hort des Verbrechens. Für viele Bewohner die nahezu coolste Lebensform, die es gibt. Und für die heimische Kulturindustrie die neuste Entdeckung. Eine Schatzkiste an Styles, Formen und Tönen: Die deutschen Großstadt-Ghettos. Filme, Fotostrecken in Hochglanzmagazinen, Musik und Literatur haben das Ghetto neu entdeckt. Für einige ist das Ghetto sogar Sprungbrett. Wie für Kool Savas und Eko Fresh. Beide haben es aus Kreuzberg auf die Mattscheibe von MTV und VIVA geschafft, sind Stars des deutschen HipHops. Neco Celik, einer der ehemaligen Anführer der berüchtigten Kreuzberger Straßengang „36 Boys“, war mit seinem Film „urban guerillas“ auf der letzten Berlinale vertreten. Die Zeitschrift „Dummy“ präsentiert eine Fotostrecke von Laura Palmer über die jungen Machos vom Kottbusser Tor. Und Gregor Tessnows Roman „Knallhart“ beschreibt das Leben in türkischen Straßengangs in Kreuzberg und Neukölln. Doch die medial bunt ausgeleuchtete Welt des Ghettos hat in der Realität dunklere Schattenseiten als in ihren kulturellen Doubeln. Die meisten Jugendlichen haben in dieser Welt keine Chance. Das Jugendzentrum „Naunynritze“, in dem Leute wie Kool Savas und Eko Fresh und Neco Celik ihre ersten künstlerischen Gehversuche gemacht haben, spielt zum einen mit dem coolen Image des Ghetto, versucht aber gleichzeitig der Romantisierung des Ghettolebens und „Selbstethnisierungstendenzen“ entgegen zu wirken. Eine Gradwanderung.

Der Beitrag beschreibt zum einen die neu entdeckte Vorliebe der deutschen Kulturindustrie fürs heimische Ghetto. Protagonisten des Trends kommen zu Wort. Zum anderen begleitet der Film eine Gruppe echter Kreuzberger Ghettokids und provoziert die Frage: Wie viel Ghetto ist noch cool? Und: Was ist das Coole an Ghettos überhaupt? Der Beitrag gibt Antworten.


Autoren und Regie: Sonja Schwär und Matthias Zuber, Kamera: Matthias Zuber polyeides medienkontor münchen / berlin