3sat, Kulturzeit, 13.01.2002
Sind die Koffer noch in Berlin?
 
Lücken und Tücken im Nachlass von Hildegard Knef

"Egal, ob man es mag, doch es kommt der Tag, wo einer fragen wird, was den Menschen an dir lag", sang einst Hildegard Knef. Jetzt hat das Berliner Filmmuseum eine Antwort auf diese Frage gegeben: Für 250.000 Euro hat es den Nachlass der Knef erworben. Ein Glücksfall, sollte man meinen.

Nach den Nachlässen von Marlene Dietrich und Heinz Rühmann ist dies die dritte wertvolle Sammlung von Zeitdokumenten deutscher Filmgeschichte für die Berliner Institution. "Es ist eigentlich alles in diesem Nachlass, was man sich wünscht", sagt Werner Sudendorf, Leiter der Sammlung im Filmmuseum Berlin. 15 Preise und Auszeichnungen, darunter ein Bambi, Filmbänder in Gold und Würdigungen. Fünf Grafiken und Gemälde sowie gut 60 textile Objekte, Filmkostüme, Showkleider, Schuhe, Zeugnisse, Presseausschnitte, Film- und Theaterprogramme.

Bei näherer Betrachtung kommen jedoch Zweifel auf, nach welchen Kriterien die 25 Umzugkartons zusammengestellt worden sind, die das Museum erworben hat. Die Frage wird laut, ob wirklich alle wichtigen Hinterlassenschaften in den Kästen stecken, die ein Bild der Knef entwerfen, das ihr entspricht. Hätte man sich nicht Zeit lassen sollen, besser zu verhandeln? Sind nicht etwa wertvolle Bestände zurückgehalten worden? "Sie müssen das nehmen, was sie bekommen", sagt Sudendorf und gesteht zu: "Es gibt Sachen, die da fehlen."

Einer, der wissen müsste, was fehlt, ist Knefs dritter Ehemann und Erbe Paul von Schell. Fast 25 Jahre waren die beiden verheiratet. Kein leichter Schritt, sich von Erinnerungen an einen geliebten Menschen zu trennen, um Geschäfte damit zu machen. Thomas Jost, der Exmanager der Knef, habe Paul von Schell "gefragt und gebeten, ob das überhaupt möglich wäre". Bei den Verhandlungen war von Schell jedoch nicht dabei. Welche Rolle spielt also der Exmanager der Knef?

Seine Rolle beim Verkauf sei die gewesen, die er auch zu Lebzeiten der Knef gespielt habe: die eines persönlichen Managers, gab Thomas Jost an. Er habe die moralische und technische Verantwortung getragen, den Nachlass zu verkaufen. Es habe Auktionsangebote und Nachfragen anderer Filmmuseen gegeben, "es war aber relativ schnell klar, dass der Nachlass in Berlin bleiben sollte", so Jost. Doch nach welchen Kriterien wurde der Nachlass zusammengestellt? Nach sehr persönlichen, denn für Paul von Schell hieß es seitens des Filmmuseums: "Wenn es Sachen gibt, bei denen Sie das Gefühl haben, sie würden diesen zuviel nachtrauern, dann behalten Sie sie lieber."

Die Knef hat also nicht nur einen Koffer in Berlin, sondern viele - und die auch nicht nur an einem Ort. Der Nachlass ist nicht vollständig, soviel steht fest. Die 250.000 Euro, die das Filmmuseum vorläufig gezahlt hat, stammen aus der Stiftung "Deutsche Klassenlotterie" und den "Freunden und Förderern des Filmmuseums Berlin". Keine kleine Summe - doch offenbar ist dieser Nachlass sein Geld wert, wie Werner Sudendorf meint: "Man kann mit so einem Nachlass tatsächlich Kulturarbeit im Inland wie im Ausland machen und für Deutschland und Berlin werben." Der Schaden für Berlin wäre viel größer gewesen, so Sudendorf, wenn der Nachlass in eine andere Stadt gegangen wäre.

Die Knef, so scheint es, ist ein Jahr nach ihrem Tod zum Spekulations- und Investitionsobjekt geworden - und das nicht nur am Postschalter als Motiv einer neuen Briefmarke. "Der Nachlass von Frau Knef wurde verkauft, weil ein großer Schuldenberg auf Frau Knef und ihrem Mann lastete", so Thomas Jost. Es sei eine elegante Lösung gewesen, diesen abzutragen. Nur stellt sich jetzt heraus, dass Bänder mit unveröffentlichtem Material gefunden wurden, und laut Jost gibt es unzählige Texte, die noch zu bearbeiten seien. "Diese Sachen sind nicht ans Museum gegangen, weil sie einen urheberrechtlichen Wert darstellen, den man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten sollte." Doch immerhin gebe es im Vertrag einen Passus, der dem Museum ein Vorkaufsrecht garantiere.

Die Knef war verschwenderisch in jeder Beziehung - profitiert haben davon allerdings andere. Daran scheint sich auch nach ihrem Tod nicht viel zu ändern. Was den Museumsbesuchern nicht vorenthalten werden soll, muss aber erst in bare Münze umgewandelt werden. Da kann das Filmmuseum schon mal anfangen, weitere Sponsoren zu finden. Die künstlerische und persönliche Hinterlassenschaft der Knef unterliegt weiterhin Marktgesetzen, zerstückelt und wieder neu zusammengesetzt - eine sprudelnde Geldquelle.

Autor und Regie: Matthias Zuber polyeides medienkontor münchen / berlin